Das „PACTE“-gesetz und der neue französische Rechtsrahmen für Krypto-asset-dienstleister
Das französische Parlament hat den PACTE-Gesetz verabschiedet. Der neue Rechtsrahmen wird auf Initial Coin Offerings (nur für Utility-Token) und bestimmte Kategorien von „Krypto-Asset-Dienstleistern“ anwendbar sein und für Kryptovermögenswerte greifen, die nach MiFID II nicht als Finanzinstrumente gelten.
Dieser Rahmen wird an einem Wendepunkt in der Geschichte der europäischen Regulierung des Marktes für Kryptovermögenswerte verabschiedet: wenige Monate nach der Veröffentlichung der Empfehlung von ESMA und EBA an die Europäische Kommission1 und zu einem Zeitpunkt, wo Vizepräsident Dombrovskis die Notwendigkeit bestätigt hat, die regulatorische Antwort der EU auf finanzielle Innovation und insbesondere auf Kryptovermögenswerte zu überdenken2.
Ein innovativer ansatz
Nach französischem Recht werden auf Krypto-Assets spezialisierte Dienstleister mit Sitz in Frankreich die Möglichkeit haben, für ein „optionales Regime“ zu optieren. Wenn sie sich dafür entscheiden, müssen sie alle Anforderungen einhalten, die nach dem optionalen Regime anwendbar sind, und werden als „lizenzierte Krypto-Asset-Dienstleister“ unter die Autorität der französischen Finanzmarktaufsicht AMF gestellt. Entscheiden sie sich jedoch gegen das optionale Regime, so können Krypto-Asset-Dienstleister mit Sitz in Frankreich ihrer Tätigkeit nachgehen, ohne in Frankreich in den Verdacht rechtswidrigen Verhaltens zu geraten. Mit anderen Worten: sobald sich ein in Frankreich ansässiger Krypto-Asset-Dienstleister für das Regime entscheidet, sind alle nach dem optionalen Regime anwendbaren Anforderungen nicht mehr optional.
Die zugehörigen Krypto-Asset-Dienstleistungen3, die vom optionalen Regime abgedeckt sein werden, umfassen:
- die Bereitstellung eines Verwahrungs-Wallet;
- die Bereitstellung einer Krypto-/Fiatwährungsbörse;
- die Bereitstellung einer Krypto-/Kryptobörse;
- die Verwaltung einer Kryptohandelsplattform;
- die Ausführung von Aufträgen in Kryptovermögenswerten im Auftrag von Kunden;
- das Portfoliomanagement von Kryptovermögenswerten;
- die Anlageberatung zu Kryptovermögenswerten;
- das Zeichnen von Kryptovermögenswerten mit fester Übernahmeverpflichtung;
- das Platzieren von Kryptovermögenswerten mit fester Übernahmeverpflichtung, und
- das Platzieren von Kryptovermögenswerten ohne feste Übernahmeverpflichtung.
Um eine Lizenz von der AMF zu beantragen, müssen Krypto-Asset-Dienstleister mit Sitz in Frankreich beständig verschiedene Anforderungen erfüllen, die zum Beispiel Betrugsrisiken, Sicherheitsrisiken sowie operative Risiken, interne Kontrollmechanismen, die Resilienz von IT-Systemen und potenzielle Interessenkonflikte betreffen.
Der PACTE-Gesetzesentwurf definiert zusätzliche Anforderungen, die von lizenzierten Krypto-Asset-Dienstleistern laufend zu erfüllen sind, zum Beispiel die Pflicht, mit ihren Kunden klar und korrekt zu kommunizieren und keine irreführenden Angaben zu machen (einschließlich in ihrer Marketingkommunikation); die Pflicht, ihre Gebührenpolitik offenzulegen; die Pflicht, eine effektive Politik für den Umgang mit Beschwerden einzurichten, usw. Ferner legt der PACTE-Gesetzesentwurf spezifische Anforderungen für jede der vorstehend aufgeführten Dienstleistungen fest. Die Details der anwendbaren Anforderungen werden in der Verordnung geregelt sein.
Einige besonderheiten, die sich aus höheren Anforderungen zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung ergeben
Eine spezifische Ausnahme vom optionalen Wesen des Regimes betrifft Anforderungen zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung. Gemäß der aktuellen Version des PACTE-Gesetzesentwurfs werden sich bestimmte Krypto-Asset-Dienstleister (bei der Erbringung der Dienstleistungen i. bis ii.) zwingend bei der AMF „registrieren“ und die im französischen Recht niedergelegten Anforderungen zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung einhalten müssen. Diese Registrierungs-Anforderung ist zwingend. Auf dieser Grundlage wird die AMF regelmäßig eine Liste „registrierter Krypto-Asset-Dienstleister“ veröffentlichen. Ohne AMF-Registrierung ist die Erbringung der Dienstleistungen (i) bis (ii) untersagt. Dieses neue Regime wird Frankreich an die Spitze der regulatorischen Innovation stellen, und das nicht nur in Europa, sondern auch weltweit. Auf der ganzen Welt wurden kürzlich verschiedene Initiativen im Umgang mit finanzieller Innovation ins Leben gerufen, vor allem in Asien (insbesondere in Singapur und in Hongkong, wo maßgeschneiderte Vorgaben entwickelt wurden). Jenseits des Atlantiks untermauern jüngste Aussagen des SEC-Vorsitzenden5 Jay Clayton ebenfalls den zunehmenden Konsens unter Aufsichtsbehörden darüber, dass Innovation durch und mit Regeln geschehen muss.
Um Unternehmen anzuziehen, die dank eines glaubwürdigen regulatorischen Status in Europa groß werden wollen, hat Frankreich den ersten Schuss abgefeuert.
Jetzt ist es an den EU-Institutionen, nationale Beispiele zu nutzen, um einen einheitlichen EU-weiten Rahmen aufzubauen.
Die Vorteile eines bestehenden rechtlichen rahmens
Der neue Rahmen im PACTE-Gesetz, der „Krypto“-Akteuren gewidmet ist, ist ein echter Durchbruch; erstens in gesetzgeberischer Hinsicht und zweitens in der Weise, in der ein neues wirtschaftliches und technisches Umfeld berücksichtigt wird. Indem es auf bestehende Regeln setzt, die sich insbesondere in anderen Finanzbereichen bewährt haben, und diese an ein neues Paradigma anpasst und dabei gleichzeitig mit einem optionalen Regime innoviert, zeigt Frankreich im Vergleich zu anderen, konservativeren Ländern seine Fähigkeit, sich der Herausforderung zu stellen.
Das „Krypto“-Umfeld braucht in der Tat innovative Gesetzgeber, die die Spezifika und Funktionsweise neuer Geschäftsmodelle verstehen und „Krypto“-Akteuren den rechtlichen Schutz geben können, den sie brauchen, um ihre Tätigkeit weiterzuentwickeln.
Es ist daher nicht die Lösung, die Regeln zu dehnen, bis sie jede Wirkung verlieren. Rechtliche Praktiken zu ignorieren, die sich als effizient erwiesen haben, wäre ebenfalls ein Fehler. Daher ist es nicht immer nötig, Finanzvorschriften auf alle Eventualitäten zuzuschneiden. Vielmehr gilt es, sie an ein dezentralisiertes Umfeld anzupassen, das sich auf neue IT-Protokolle stützt und das heute beim Entwurf rechtlicher Konzepte und Definitionen berücksichtigt werden muss. Zu sagen „Code ist Gesetz“ wäre unangemessen. Das Gegenteil ist der Fall. Das Gesetz muss den Code verstehen und in seine Logik und Formulierungen integrieren. Jetzt geht es darum, darauf hinzuwirken, dass insbesondere europäische Gesetze so verfasst werden, dass sie schnell genug auf technologische Veränderungen im Zusammenhang mit der Blockchain reagieren können, ohne die Entwicklung von EU-Akteuren zu hemmen. Der Ehrgeiz und die Reaktivität Europas, sein Verständnis kettenbasierter Geschäftsmodelle, seine Erfahrung mit früheren Regeln und deren anschließenden Anpassungen bieten die notwendige Grundlage für den Erfolg seines Rechtsrahmens für die Blockchain und insbesondere für die „Krypto“-Branche, die aktuell nach rechtlicher Sicherheit sucht.
FRANCK GUIADER Frank Guiader ist Innovationsregulierungsexperte (Blockchain, künstliche Intelligenz, Roboter). Bei Gide hat er ein Team aufgestellt, das der vorausschauenden (Aufsichts-)Rechtsbeobachtung, der Entscheidungsfindung und rechtlichen Strukturierung im digitalen Innovationssektor gewidmet ist (Gide 255). Bevor er zu Gide kam, arbeitete Franck Guiader zunächst als Head of Asset Management Regulation und dann als Head of Fintech, Innovation and Competitiveness für die französische Finanzmarktaufsicht (AMF). Davor war Franck Guiader zehn Jahre lang für führende Finanzinstitute tätig (Lazard, NYSE Euronext, BNPP). | JENNIFER D’HOIR Jennifer D’Hoir ist auf Einflussstrategien, Lobbying und internationale Verhandlungen spezialisiert. Bevor sie zu Gide 255 wechselte, arbeitete sie fünf Jahre lang in der Abteilung für Regulierung und internationale Angelegenheiten der AMF. Von 2015 bis 2018 war sie Head of International Affairs mit Verantwortung für die Koordination der Maßnahmen der AMF und die Leitung von Kooperationsmaßnahmen mit internationalen Aufsichtsbehörden. |
(1) ESMA (für „European Securities Markets Authority“, Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde), „Advice on Initial Coin Offerings and Crypto-Assets“, 9. Januar 2019. EBA (Europäische Bankenaufsicht), „Bericht mit Empfehlung für die Europäischen Kommission“, 9. Januar 2019.
(2) Rede von VP Dombrovskis zur Eröffnung der dritten jährlichen Afore Fintech Conference, Februar 2019.
(3) Eine Verordnung wird die Definition jeder dieser Dienstleistungen erläutern. Diese Verordnung wird voraussichtlich bis Frühjahr 2019 veröffentlicht.
(4) In diesem Zusammenhang bedeutet „Registrierung“ „Erklärung“ und unterscheidet sich von der Lizenzierung (die sich auf die Lizenz bezieht, die die AMF an Dienstleistern vergibt, die sich für das Regime entscheiden). Die Registrierung wird im Wesentlichen einen Test zum Nachweis der Zuverlässigkeit und fachlichen Eignung für das Führungspersonal der registrierten Unternehmen erfordern.
(5) https://coincenter.org/tiles/2019-03/clayton-token-response.pdf